Newsletter Systemische AugenBlicke
Juni 2024
Systemische AugenBlicke Premiumausgabe 7/ 2024
Liebe Freunde des SIM, Neugierige und Abenteuerlustige,
Kritzeleien
Die Dienstberatung wirkt endlos. Die Weiterbildung langweilt. Das Teamgespräch wird als Monolog geführt. Wer kennt nicht ähnlich Situationen? Hier empfehlen wir Dir ein Wundermittel: "Kritzle nach Herzenslust!"
Die phantasievollen Kritzeleien helfen Dir, aufmerksam zu bleiben. (Studie von Jackie Andrade, Universität of Plymouth)
Ein Hoch auf den Kritzel - Spaßfaktor!
Umsatzsteigerung
Sommeralltag in einer sächsischen Kneipe. Der Kellner nimmt die Bestellung an. Wiederholt er nun diese Bestellung wortwörtlich, kann er sich auf 68 % mehr Trinkgeld freuen. Die Gäste sind zufrieden. Berührt der Kellner beim Willkommen ganz kurz, scheinbar ohne Absicht, den Arm des Kunden erhöht sich das Trinkgeld um weitere 10 %.
Stoßdämpfer TÜV
Unsere Knie wirken wie Stoßdämpfer. Sie dämpfen die Bewegungen. Mit durchgedrückten Kniegelenken verlieren wir leicht unsere Standfestigkeit. Wage den Selbstversuch. Mit leicht gebeugten Kniegelenken wirft Dich so leicht niemand aus der Bahn. Sammle Deine eigenen Erfahrungen zum Thema Stoßdämpfer. Bleib standhaft! Mut zur Haltung!
"Scheidungsgedanken auf der Hochzeitsfeier"
Beziehungen mit "offenem" Ausgang wirken oft als Triebkräfte in unserer Entwicklung. "Ziel der Bindung ist die Trennungsmöglichkeit" meint Arnold Retzer.
In Beziehungskonflikten wird die Trennung oft als letzte Möglichkeit angesehen. Was wäre anders, wenn wir bereits zu Beginn einer Beziehung die Möglichkeit einer Trennung mit auf der Rechnung hätten?
Mai 2024
Systemische AugenBlicke Premiumausgabe 6/ 2024
Liebe Freunde des SIM, Neugierige und Abenteuerlustige,
zum Einstieg eine Geschichte von Heinrich Böll:
Zufriedenheit
Ein reicher Mann sah, wie ein Fischer gemütlich neben seinem Boot lag und Pfeife rauchte. Er verstand nicht, wie man so etwas tun konnte und fragte ihn: „Warum bist du nicht auf dem Meer zum Fischen?“ „Weil ich für heute genug gefangen habe“, sagte der Fischer. „Warum fängst du dann nicht noch mehr?“ „Was soll ich denn damit machen?“ „Du könntest mehr verdienen“, sagte der Mann, „und dir einen Motor für dein Boot kaufen, weiter aufs Meer hinaus fahren und noch mehr Fische fangen. Du könntest genug verdienen, um bessere Netze zu kaufen. Sie würden dir noch mehr Fisch und viel mehr Geld einbringen. Bald hättest du genug Geld, um ein zweites Boot zu kaufen – vielleicht sogar eine ganze Flotte. Dann wärst du ein reicher Mann, genau wie ich.“
„Und was soll ich dann machen?“
„Dann könntest du das Leben genießen.“
„Und was glaubst du, was ich jetzt gerade mache?“
Rhythmen der Völker oder wenn Zeit Geld ist
Sommerzeit ist Reisezeit und damit auch Gelegenheit, das gelebte Zeitgefühl anderer Kulturen kennenzulernen. Was des einen Freud kann des anderen Leid sein, denn wenn die einen von entspannter Grundhaltung schwärmen, singen die anderen das hohe Klagelied der Unzuverlässigkeit und Unpünktlichkeit. Der Psychologe Robert Levine von der California State Universität in Fresno untersuchte mit seiner Forschungsgruppe die Zeitsitten in 31 Ländern, dabei kam er zu überraschenden Ergebnissen. Die Forscher stoppten die Gehgeschwindigkeit der Menschen, stoppten die Zeit des Verkaufs von Briefmarken und verglichen die Genauigkeit öffentlicher Uhren. 2
Platz 1 geht an die Schweiz, sie ist das Land mit den schnellsten Menschen und den natürlich genausten Uhren,
Platz 2 Irland,
Platz 3 Deutschland,
und knapp dahinter Platz 4 Japan.
Die Mexikaner meinten Teilnahme entscheidet und belegten den letzten Platz. Uhren hatten hier keine besondere Bedeutung.
Faktoren, die über die Geschwindigkeit des Lebens entscheiden:
Wohlstand
Je reicher ein Land, umso höher das Lebenstempo.
Grad der Industrialisierung
Je höher diese ist, umso schneller leben die Menschen. Das scheint ein Paradoxon zu sein, denn der Einsatz von zeitsparenden Maschinen führt zu weniger zur Verfügung stehender Zeit, statt wie erwartet zu mehr.
Einwohnerzahl
Je größer die Stadt, umso schneller leben die Einwohner.
Klima
Je höher die Temperaturen, umso langsamer das Leben.
Individualismus
Je stärker die Orientierung an individuellen Werten mit wenig intakten Gemeinschaften, umso höher das Lebenstempo. In Kulturen, in denen soziale Beziehungen Vorrang haben, leben die Menschen eine entspannte Haltung der Zeit gegenüber.
Im ostafrikanischen Burkina Faso gibt es keine „verschwendete Zeit“. Dort wäre es einer Sünde gleich, wenn man für seine Mitmenschen nicht ausreichend Zeit hätte.
April 2024
Systemische AugenBlicke Premiumausgabe 5/ 2024
"Kein [Mittwoch] ohne Gähnversuche."
Klaus Klages
Liebe Freunde des SIM, Neugierige und Abenteuerlustige,
wenn unser Familienhund Karlo mal wieder die Wurst vom Tische stibitzte oder das Lieblingskuscheltier der Kinder bis auf die Innereien ausgeweidet hatte, dann kam er unaufgefordert mit ohnehin schon hängenden Ohren zu mir und bat so um Aufmerksamkeit. Wenn ich nun meine vorwurfsvolle Stimme erhob, senkt er den Kopf mit treuem Hundeblick und bereits nach kurzer Zeit überkam ihn eine Welle von Gähnen. Ich interpretierte das mit der Übersetzung: „Es tut mir unendlich leid. Ich tue es bestimmt nie wieder!“
Auch wenn seine Untaten im Alter etwas linder wurden, so blieb sein Gähnen in diesen Situationen und ich frage mich, inwieweit das auch für mein aktuelles Leben nutzbar ist.
Gähnen zeugt zwar von schlechten Manieren, ist aber eine ehrliche Meinungsäußerung. 1
Mein, in die Jahre gekommener, Grundschullehrer war der Meinung, dass Gähnen ein Sauerstoffmangel im Gehirn wäre und ließ die Fenster des Klassenzimmers öffnen. Mein Gähnimpuls zeigte sich aber auch während endloser Monologe in Dienstberatungen. Nicht zuletzt setzt mein Körper auch zum Gähnen an, wenn ich ordentlich übermüdet bin.
Geschwindigkeit = Schlafen, wenn andere noch Gähnen. 1
Gähnen ist auch manchmal ansteckend und erwischt uns im Durchschnitt 5 Mal täglich. Die Ursache für diesen Reflex scheint noch nicht völlig wissenschaftlich geklärt. Forscher vermuten, dass die Spiegelneuronen dafür verantwortlich sind.
„Ich fühle was, was Du auch fühlst.“
Menschen mit großer Empathie lassen sich vom Gähnen eher anstecken als Menschen mit autistischen Zügen.
Chasmologie, die Wissenschaft vom Gähnen versucht Fragen zu beantworten und neue Fragen zu stellen.
Die Beobachtung von Ratten ließ die Hypothese aufkommen, dass Lebewesen Gähnen, wenn die Temperatur im Kopf steigt und Kühlung die Funktionalität des Gehirns wieder erhöhen kann.
Auch Stress kann Gähnen auslösen, so beobachtet bei Sportlern unmittelbar vor dem Startschuss eines Laufwettbewerbes.
Selbst Fische und Embryos im Fruchtwasser können gähnen.
Gähnen stärkt außerdem den sozialen Zusammenhalt. Löwen reißen kollektiv das Maul auf bevor sie zur Jagd aufbrechen. Forscher nehmen an, dass sie damit ihr Verhalten synchronisieren und so erfolgreichen als Gruppe agieren können.
Wer lange und oft gähnt hat mehr im Kopf, meint der Psychologe Andrew Gallup, der einen Zusammenhang zwischen Gähnintensität und aktiver Hirnnutzfläche herausfand.
Meine Einladung für heute soll deshalb lauten:
- Gähne nach Herzenslust, mit weitem Mund, in auslandender Bewegung des Kiefergelenkes, abgerundet von geschlossenen oder offenen Augen.
- Gähne und stimuliere Wachsamkeit und Konzentration, Hirntätigkeit und Stoffwechsel.
- Gähne und fördere Kognition und Erinnerungsvermögen
- Gähne und entspanne die gesamte Muskulatur, nicht nur die im Gesicht.
- Gähne und fördere Einfühlungsvermögen und soziales Bewusstsein.
- Gähne und steigere Vergnügen, Lustempfinden und Sinnlichkeit. 2
Gähne nach Herzenslust für einen guten Zweck!
März 2024
Systemische AugenBlicke Premiumausgabe 4/ 2024
„Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“
Pippi Langstrumpf
Liebe Freunde des SIM, Neugierige und Abenteuerlustige,
Selbstermutigung und die eigene Überzeugung, dass Du es schaffen kannst, sind Haltungen und keine Zufälle des Lebens. Unser Alltag bietet uns täglich neue Chancen, diese Haltung zu erproben.
Eine Vorreiterin der Familientherapie, Virginia Satir, beschrieb fünf Freiheiten, die Dir helfen können, Dein Grundpotential weiter zu entwickeln.
Die Freiheit, das zu sehen und zu hören, was im Moment wirklich da ist, anstatt was sein sollte, gewesen ist oder erst sein wird.
Die Freiheit, das auszusprechen, was ich fühle und denke, und nicht das, was von mir erwartet wird.
Die Freiheit, zu meinen Gefühlen zu stehen und nicht etwas anderes vorzutäuschen.
Die Freiheit, um das zu bitten, was ich brauche, anstatt immer erst auf Erlaubnis zu warten.
Die Freiheit, in eigener Verantwortung Risiken einzugehen, anstatt immer auf Nummer Sicher zu gehen und nichts Neues zu wagen.
(Satir, Banmen, Gerber et.al.: The Satir modell; Science & Behavior Books, 1991)
Diese Freiheiten kannst Du als Kriterien zur Beobachtung Deiner Freiheiten nutzen und Dich immer wieder neu, an ihnen ausrichten.
Freiheiten zu schaffen und gute Gründe zu haben, diese selbst wieder einzuschränken sind wohl unsere alltägliche Mission. Wir geraten dabei manchmal auch in Sackgassen, aus denen kein Ausweg scheint. Mittels der Erinnerung an die Haltung der Freiheit, könnte der Weg nach OBEN eine Chance über den Tellerrand des VOR und RÜCK hinaus, sein.
Doch Vorsicht, bevor Du mit dem Kopf durch die Wand oder nach Oben gehst, kannst Du natürlich prüfen, was Du dort eigentlich willst.
Was zum Schmunzeln aus meiner Praxis
Ein Mann schlägt auf der Straße wild um sich. Was er denn mache, fragt ein Passant. Ich vertreibe Elefanten. Der Passant erwidert: Aber hier sind doch gar keine Elefanten!
Darauf der Mann: Sehen Sie, ich habe schon Erfolg.
Februar 2024
Systemische AugenBlicke Premiumausgabe 3/ 2024
„Schluckst Du die blaue Kapsel, ist alles aus: Du wachst in deinem Bett auf und glaubst an das, was du glauben willst.
Schluckst du die rote Kapsel, bleibst Du im Wunderland und ich führe dich in die Tiefen des Kaninchenbaus.“
Morpheus im Film „Die Matrix“
Liebe Freunde des SIM, Neugierige und Abenteuerlustige,
es gibt etwas, was manchmal in meinem Alltag lauert, man könnte es ein Glaubenssatz über sich selbst bezeichnen. Es schleicht sich von hinten an und hockt dann gemütlich auf meiner Schulter oder übernimmt gar die Führungsposition. Es flüstert: „Das schaffst Du nie!“ oder „Nur Du hast diese Probleme!“, „Der Schuster hat immer die schlechtesten Schuhe.“
Diese Glaubenssätze über mich selbst können eine Art Stempelform annehmen und Stück für Stück bestimmend für mein Leben werden. Heute möchte ich Dich einladen, einige Minitechniken für den Alltag auszuprobieren, mit denen Du Deine Gedanken in eine andere Richtung einladen kannst.
Technik 1
Wenn ich meine Gedanken beobachte, dann sehe ich …
Mache einen Unterschied zwischen Deinem Denken und der Möglichkeit, Deine Gedanken zu beobachten. Stelle Dir eine (Gedanken-)Welle im Ozean vor, Du bist der Ozean und nicht die Welle.
Technik 2
Skizziere Deinen Gedanken auf ein Blatt, und übertreibe dabei nach Herzenslust, z.B. indem Du ihn lustige Sprüche sagen lässt. „Ich bin der Loser-champion und verdiene gerade ein Vermögen über meinen Internetauftritt bei tiktok.“
Technik 3
Schreibe Deinen Gedanken auf ein Blatt Papier und falte daraus einen Papierflieger oder eine Papierschiffchen und schicke es im Freien auf die Reise.
Technik 4
Koch Dir einen Tee/Kaffee mit der Hand, die nicht Deine Schreibhand ist.
In der Acceptance Commitment Therapie wird von der „kognitiven Fusion“ von Bildern und Bewertungen mit unserem Selbstbild und unserem Alltagserleben ausgegangen.1
So wie unbewusst unsere Urteile mit unseren Vorstellungen über uns selbst verschmelzen, können wir sie durch die beschriebenen Techniken auch wieder differenzieren, denn Du bist das Meer und nicht allein die Welle.
Technik 5 als Dessert
Schreibe Deinen Gedanken auf einen leeren Luftballon, den Du anschließend aufbläst. Du kannst Beobachten, wie Dein Problem größer wird und die Schrift verzerrter. Lasse die Luft nun wieder heraus. Vielleicht entweicht die Luft quietschend, oder Dein Ballon trudelt und zischt planlos durch den Raum und klatscht kraftlos zu Boden.
Was zum Schmunzeln aus meiner Praxis
Mir wurde folgende Geschichte erzählt. Ein Vierjähriger bekommt einen kleinen Bruder, und die Mutter verbringt die ersten Tage mit dem Baby zu Hause. Anfangs ist die Freude groß. Eines Morgens kommt der Vierjährige zur Mutter und fragt: „Mama, wann können wir den denn wieder abgeben?“
Januar 2024
Wiederauflage Systemische AugenBlicke
Liebe Freunde des SIM, Neugierige und Abenteuerlustige,
ich wünsche Euch von Herzen ein friedliches, gesundes und wild gelebtes neues Jahr.
Nachdem wir das Jahr 2023 in Stille oder mit lautem Tamtam verabschiedet haben, wende ich mich heute mit einem besonderen Angebot an Euch, kulinarisch könnte man Appetitshäppchen dazu sagen. Wenn Ihr möchtet, können diese Eure Lust anregen, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen.
Für den einen kann es eine Miniweiterbildung sein, für den Anderen eine Ermunterung und darüber hinaus auch eine Information, was im SIM in Döbeln im Januar und Februar angeboten wird. Du triffst, immer wieder neu Deine Wahl nach Geschmack und aktuellem Bedürfnis.
Ohne weitere Vorrede geht es los mit den amuse bouche …
Tour de France-Syndrom
„Als die Spitzengruppe von einem Zitronenfalter überholt wurde, gaben viele Radfahrer das Rennen auf.“ (Günter Grass)
Wenn Du das scheinbar Unmögliche für machbar hältst, öffnest Du Deine Tür der neuen Lösungen. Zum Jahresbeginn eine wundervolle Erinnerung an Deine eigenen (schlummernden) Fähigkeiten und Begabungen.
Das Ungesagte ist das Interessante
Gespräche bieten Raum für viele Informationen. Auf den ersten Blick erscheint uns vieles klar und logisch. Aufpassen, jetzt kommt die mögliche Gewohnheitsfalle! Überprüfe das Gespräch ein zweites Mal! Was wird nicht erzählt? Worüber wird nicht gesprochen? Welches Thema wird nicht angesprochen? Über welche Person habe ich nichts erfahren?
... dieses "nichts" könnte eine besondere Bedeutung für das Anliegen der Klienten haben und lösungsdienlich sein.
Aus dem „Warum?“ wird ein „Wozu?“
Wie oft ist es Dir passiert, dass Du von Menschen nach dem „Warum“ gefragt wirst? Oftmals ist die Suche nach dem „Warum“ wirklich passend, manchmal merken wir aber, dass wir uns im Kreis drehen.
In diesen Fall habe ich gute Erfahrungen mit einem „Wozu“ gemacht. Damit wird aus dem rückblickenden, Ursachen suchenden „Warum“ ein zukunftsorientiertes, lösungsorientiertes „Wozu“ – es können sich neue Wege auftun!
Was zum Schmunzeln aus meiner Praxis
Ich leite für eine Familie mit einem 8jährigen Sohn eine Meditation zum Thema „sicherer innerer Ort“ nach Luise Reddemann an. Danach frage ich, wie diese Erfahrung zu Hause nutzbar wäre. Der kecke Junge meint: Ich habe mir mein Kinderzimmer vorgestellt und das war sehr schön. Aber anwendbar ist das nicht, sonst muss ich dann zwei Zimmer aufräumen, ich bringe schon eins nicht gerne in Ordnung.
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